Prozessleitende Verfügungen, «andere Entscheide und Beschwerdefrist

BGer 4A_475/2018* vom 12.9.2019 E. 3.2 - 3.3, 4 und 5

Art. 50 Abs. 2, 128 Abs. 4, 329 lit. b, 321 Abs. 2, 52 - ENTSCHEID ÜBER EIN AUSSTANDSGESUCH UND VERHÄNGUNG EINER ORDNUNGSBUSSE – BESCHWERDEFRIST – ANFORDERUNGEN AN DIE RECHTSMITTELBELEHRUNG

Unter Vorbehalt nicht gehörig begründeter Ausstandsgesuche ist das Ausstandgesuch durch ein Organ zu beurteilen, dessen Zusammensetzung nicht mit jener des mit der Sache befassten Gerichts zusammenfällt (BGE 104 Ia 278 E. 1; BGer 4D_80/2017 vom 21.3.2018 [s. Anm. oben, A.]). Der Entscheid zählt nicht zu den Massnahmen, die ordentlicherweise zur Vorbereitung und raschen Führung des Zivilprozesses nötig sind und in Anwendung von Art. 124 Abs. 1 ZPO vom befassten Gericht oder von der Prozessleitung getroffen werden. Mit Blick auf diese Besonderheiten stellt der infolge eines Ausstandsgesuches gefällte Entscheid keine prozessleitende Verfügung i.S.v. Art. 319 lit. b und 321 Abs. 2 ZPO, sondern einer der in Art. 319 lit. b ZPO gemeinten « andere[n] Entscheide » dar. (E. 3.3) Da ein Ausstandsgesuch die Zusammensetzung des befassten Gerichts in Frage stellt, ist diese Vorfrage sofort und definitiv zu erledigen. Mit Art. 49 Abs. 1, 1. Satz und Art. 51 Abs. 1 ZPO wird nämlich diesem Beschleunigungsgebot entsprochen. Die gesuchstellende Partei muss die von ihr behaupteten Tatsachen bloss glaubhaft machen (Art. 49 Abs. 1, 2. Satz ZPO), sodass das Ausstandsverfahren in diesem Punkt jenem der vorsorglichen Massnahmen gemäss Art. 261 Abs. 1 ZPO ähnlich ist. Damit überzeugt der von Tappy vorgeschlagene Ansatz, wonach das summarische Verfahren auf das Ausstandsgesuch anwendbar ist, obwohl dies im Gesetz nicht wörtlich vorgesehen ist; diesem Ansatz ist beizupflichten. [Damit beträgt die Beschwerdefrist zehn Tage, vgl. Art. 321 Abs. 2 ZPO]. (E. 4) Die Lehre ist über die Qualifikation des Entscheides, mit dem eine Ordnungsbusse verhängt wird (prozessleitende Verfügung oder « anderer Entscheid » i.S.v. Art. 319 lit. b ZPO) und über die auf die Beschwerde gemäss Art. 128 Abs. 4 ZPO anwendbare Frist uneinig. Der eine Ordnungsbusse, insb. jene gemäss Art. 128 Abs. 3 ZPO verhängende Entscheid stellt sich häufig als ein nebensächlicher oder zusätzlicher Bestandteil in einem Entscheid vor, der sich auch auf weitere Massnahmen bezieht, oder ergeht sogar in einem Endentscheid. Werden diese Massnahmen ebenfalls angefochten, drängt sich in Anlehnung an die für die Anfechtung von Kostenentscheiden vorgesehene Ordnung [s. Art. 110 Abs. 1] auf, davon auszugehen, dass die auf die Anfechtung dieser Massnahmen anwendbaren Rechtmittelwege und –fristen auch auf die Ordnungsbusse anwendbar sind. (E. 5.1) In der Rechtsmittelbelehrung [Art. 238 lit. f ZPO] ist zu präzisieren, ob dieser mit Berufung (Art. 308 ff. ZPO) oder Beschwerde (Art. 319 ff ZPO) und innert welcher Frist er anfechtbar ist; diese Hinweise sind an den Einzelfall anzupassen. (E. 5.2) Die Wiedergabe sämtlicher Bestimmungen, die sich generell auf die Rechtsmittel im Zivilverfahren beziehen, genügt den Anforderungen in Art. 238 lit. f ZPO nicht.

2019-N26 Prozessleitende Verfügungen, «andere Entscheide und Beschwerdefrist
Bem. F. Bastons Bulletti

1 Im Laufe eines erstinstanzlichen Zivilverfahrens verlangt die Beklagte den Ausstand eines Richters. Ihr Gesuch wird ebenso wie ihre darauffolgende Beschwerde abgewiesen. Einige Zeit später beantragt sie erneut den Ausstand des gleichen Richters. Ihr neues Gesuch wird für unzulässig erklärt; zudem wird sie mit einer Ordnungsbusse wegen mutwilliger Prozessführung bestraft. Die von ihr innert 30 Tagen sowohl in Bezug auf den Ausstand als auch auf die Ordnungsbusse eingereichte Beschwerde wird für verspätet und damit unzulässig erklärt. In ihrer Beschwerde ans BGer bestreitet die Beklagte einerseits, dass die Beschwerde einer Frist von zehn Tagen unterliegt; andererseits beruft sie sich auf ihr Vertrauen in die erstinstanzliche Rechtsmittelbelehrung. Das BGer weist ihre Beschwerde ab.

2 Sowohl der Entscheid über ein Ausstandsgesuch als auch jener, mit dem eine Ordnungsbusse verhängt wird, sind von Gesetzes wegen mit Beschwerde anfechtbar (Art. 50 Abs. 2 ZPO; Art. 128 Abs. 4 ZPO; Art. 319 lit. b Ziff. 1 ZPO). Im vorliegenden Fall war einzig die Beschwerdefrist umstritten. Diese beträgt grundsätzlich 30 Tage (Art. 321 Abs. 1 ZPO), es sei denn, der angefochtene Entscheid würde im summarischen Verfahren gefällt oder es handle sich um eine prozessleitende Verfügung (Art. 321 Abs. 2 ZPO). Im Urteil wird die Beschwerdefrist gegen einen Entscheid über den Ausstand präzisiert. Das BGer untersucht zunächst die Rechtsnatur dieses Entscheids und erwägt, dieser stelle keine prozessleitende Verfügung, sondern einen «anderen Entscheid» i.S.v. Art. 319 lit. b Ziff. 1 ZPO dar (vgl. E. 3.1.und 3.2 des Urteils). Somit beträgt die Beschwerdefrist 30 Tage (Art. 321 Abs. 1 ZPO), es sei denn, der Entscheid würde im Summarverfahren gefällt (Art. 321 Abs. 2 ZPO). Nun kommt aber das BGer zum Schluss, das Ausstandsverfahren unterliege dem summarischen Verfahren, obwohl dies im Gesetzestext (Art. 49 f. ZPO) nicht präzisiert wird (E. 3.3 des Urteils). Dementsprechend beträgt die Beschwerdefrist zehn Tage.

3 Im Urteil wird sodann die auf die Beschwerdefrist gegen die Anfechtung eine Ordnungsbusse eingegangen (E. 4). Ohne diesen Entscheid zu qualifizieren, bemerkt das BGer, dass er häufig einen nebensächlichen oder zusätzlichen Bestandteil in einem anderen Entscheid – unbesehen der Rechtsnatur dieses anderen Entscheids (prozessleitende Verfügung, anderer Entscheid, Endentscheid…) – darstellt. Daher erachtet es das BGer als sachgerecht, die Verhängung einer Ordungsbusse zumindest dann der gleichen Beschwerdefrist wie diesen Hauptentscheid zu unterstellen, wenn beide Entscheide gleichzeitig angefochten werden.

4 Im Urteil werden zudem die Anforderungen an die in Art. 238 lit. f ZPO vorgeschriebene Rechtsmittelbelehrung präzisiert (E. 5.1 und 5.2): Das Gericht muss an den Einzelfall angepasste Hinweise (zum Rechtsmittel – Berufung oder Beschwerde – und zur Frist, zum allfälligen Ausschluss des in Art. 145 Abs. 1 ZPO vorgesehenen Fristenstillstandes …) liefern. Somit genügt die blosse Wiedergabe sämtlicher sich generell auf die Rechtsmittel im Zivilverfahren beziehender Bestimmungen nicht (E. 5.2).

5 Schliesslich prüft das BGer die Rechtsfolgen einer unpräzisen oder unrichtigen Rechtsmittelbelehrung: Das Vertrauens der Partei ist nicht systematisch zu schützen, sondern dies hängt von deren guten Glauben ab. Diesbezüglich sind die Anforderungen gegenüber der anwaltlich vertretenen oder erfahrenen Partei höher (vgl. Anm. unter Art. 52, C.c., insb. BGer 5A_706/2018 vom 11.1.2019, Bem. in Newsletter 2019-N14). Im vorliegenden Fall hatte die Beschwerdeführerin im selben Verfahren bereits eine erste, identische Beschwerde eingereicht; dabei hatte sie eine Frist von zehn Tagen gewahrt und dabei ausgeführt, sie halte diese für massgebend. Das BGer erwog, sie könne sich nach Treu und Glauben nicht widersprechen und ihr Vertrauen in die unpräzise Rechtsmittelbelehrung anrufen. Hingegen liess das BGer offen, ob ein Rechtsanwalt bei Zweifeln über die Beschwerdefrist gemäss Art. 321 ZPO in der Regel zu Sorgfaltspflicht angehalten wäre und deshalb die kürzere Frist wählen müsste. U.E. muss der Rechtsanwalt diese Lösung zwar pragmatisch in Betracht ziehen, um seinem Klienten jede mit einer Bestreitung verbundene Komplizierung zu ersparen. Hingegen würde es zu weit gehen, ihm diese Lösung – sehr wahrscheinlich zum Nachteil der Qualität seiner Beschwerdeeingabe – vorzuschreiben, zumal die Folgen eines unklaren Gesetzestextes dadurch letztlich der Partei auferlegt würden. U.E. ist auf dem Grundsatz zu beharren, wonach sich ein Rechtsanwalt auf eine unrichtige Rechtsmittelbelehrung insofern verlassen kann, als die Unrichtigkeit nicht aufgrund einer systematischen Lektüre des Gesetzestexts erkennbar ist.

6 Das Urteil ist in dreierlei Hinsicht interessant: Einerseits befasst sich das BGer mit der heiklen und trotzdem entscheidenden Abgrenzung zwischen den prozessleitenden Verfügungen und den «anderen Entscheiden» i.S.v. Art. 319 lit. b und 321 Abs. 1 und 2 ZPO (N 7–9). Andererseits wird präzisiert, dass das summarische Verfahren auch dann gemäss Art. 248 lit. a ZPO anwendbar sein kann, wenn dies im Gesetz nicht ausdrücklich vorgesehen ist (N 10). Schliesslich wird auf das gegen die Verhängung einer Ordnungsbusse zur Verfügung stehende Rechtsmittel hingewiesen, wenn die Busse zusammen mit dem Hauptentscheid angefochten wird, in dem sie verhängt wird (N 11).

7 In Bezug auf das offenstehende Rechtsmittel wird in der ZPO (Art. 319 lit. b) zwar zwischen den «prozessleitenden Verfügungen» und den «anderen Entscheiden» unterschieden; diese sind aber der gleichen Ordnung unterworfen: Beide Arten von Entscheiden (insgesamt als «Inzidenzentscheide» bezeichnet, vgl. Botschaft, 7376) sind einzig mit Beschwerde sofort anfechtbar; allerdings ist erforderlich, dass dies im Gesetz vorgesehen ist (Art. 319 lit. b Ziff. 1 ZPO) oder dass durch den Entscheid oder die Verfügung ein nicht leicht wiedergutzumachender Nachteil droht (Art. 319 lit. b Ziff. 2 ZPO). In diesem Punkt unterscheiden sich die «Inzidenzentscheide» von jenen, die Art. 319 lit. a ZPO umfasst (End- inkl. Teilentscheide [Art. 236 ZPO], Zwischenentscheide [Art. 237 ZPO] und Entscheide über vorsorgliche Massnahmen [Art. 261 ff. ZPO]). Diese sind grundsätzlich mit Berufung anfechtbar (Art. 308 Abs. 1 ZPO). Die Beschwerde ist in dem Sinne subsidiär, als sie erst dann offensteht, wenn die Sache vermögensrechtlicher Natur ist und der Streitwert gemäss Art. 308 Abs. 2 ZPO nicht erreicht wird oder die Beschwerde in einer Sonderbestimmung (wie z.B. Art. 309 ZPO) vorgeschrieben ist. Ungeachtet dessen, ob sie die Sache oder die Zulässigkeit der Klage betreffen, beenden die unter Art. 319 lit. a ZPO fallenden Entscheide das Verfahren oder können dieses zumindest – ganz oder teilweise (Teil- [End-]Entscheide, Art. 236 ZPO) – beenden (Zwischenentscheide, Art. 237 ZPO). Hingegen beziehen sich die «Inzidenzentscheide» gemäss Art. 319 lit. b ZPO nur auf den Ablauf des Verfahrens, das sie nicht beenden können. Die Abgrenzung ist mitunter heikel. Allerdings ist sie in Bezug auf das offenstehende Rechtsmittel nur dann von Bedeutung, wenn die Beschwerde im Gesetz nicht ausdrücklich vorgesehen ist: Während ein Entscheid i.S.v. Art. 319 lit. a ZPO je nach Streitwert mit Berufung oder mit Beschwerde anfechtbar ist, ist ein Inzidenzentscheid (Art. 319 lit. b ZPO) nur mit Beschwerde anfechtbar, und dies nur dann, wenn durch diesen Entscheid ein nicht leicht wiedergutzumachender Nachteil droht (Art. 319 lit. b Ziff. 2 ZPO). Die Frage kann sich insb. in Bezug auf die Entscheide betreffend die vorsorgliche Beweisführung (Art. 158 ZPO) oder die Abschreibung des gegenstandslos gewordenen Verfahrens (Art. 242 ZPO) stellen. Während im ersten Fall anerkannt scheint, dass der Entscheid eine prozessleitende Verfügung darstellt, es sei denn, er würde ein selbständigen Verfahren um vorsorgliche Beweisführung beenden (Endentscheid, vgl. Anm. unter Art. 158 Abs. 2, 4., insb. BGer 4A_421/2018 vom 8.11.2018 E. 4 und 7, Bem. in Newsletter vom 09.01.2019), sind Lehre und Rechtsprechung in Bezug auf die Bezeichnung – Endentscheid oder prozessleitende Verfügung – der Abschreibung des Verfahrens gemäss Art. 242 ZPO gespalten (vgl. Anm. unter Art. 242, B.2.).

8 Die Abgrenzung zwischen prozessleitenden Verfügungen und «anderen Entscheiden» ist hingegen von Bedeutung, wenn es darum geht, die Beschwerdefrist zu bestimmen. Während prozessleitende Verfügungen stets der zehntägigen Beschwerdefrist unterliegen (Art. 321 Abs. 2 ZPO), sind die «anderen Entscheide» i.S.v. Art. 319 lit. b ZPO – wie auch die unter Art. 319 lit. a ZPO fallenden Entscheide – grundsätzlich innert der 30-tägigen Beschwerdefrist anfechtbar (Art. 321 Abs. 1 ZPO), es sei denn, sie würden im summarischen Verfahren gefällt (zehntägige Frist, Art. 321 Abs. 2 ZPO); in diesem letzten Fall steht die Frist zudem nicht gemäss Art. 145 Abs. 1 ZPO still (Art. 145 Abs. 2 lit. b ZPO).

9 Obschon die Beschwerdefrist davon abhängt, wird im Gesetz nicht präzisiert, wie sich eine prozessleitende Verfügung von einem «anderen Entscheid» unterscheiden lässt; dies ist weder in Art. 321 noch in Art. 319 und auch nicht in Art. 124 ZPO definiert. Daraus folgen Unsicherheiten in Bezug auf viele «Inzidenzentscheide», da Lehre wie auch kantonale Gerichte bei weitem nicht einhellig sind. Im vorliegenden Entscheid wird kein entscheidendes Unterscheidungskriterium geliefert. Dennoch lehnt das BGer offensichtlich – u.E. zu Recht –die Ansicht ab, wonach alle «Inzidenzentscheide» i.S.v. Art. 319 lit. b ZPO prozessleitende Entscheide im weiteren Sinne darstellen, deren Anfechtung der zehntägigen Frist unterliegt (s. E. 3.1 und 3.2). Es nimmt zur teilweise gegenteiligen Ansicht nicht Stellung (vgl. E. 4), wonach alle unter Art. 319 lit. b Ziff. 1 ZPO fallenden Entscheide, also jene, die gemäss ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmung mit Beschwerde anfechtbar sind, « andere Entscheide » darstellen, die nur dann innert zehntägiger Frist weiterzuziehen sind, wenn sie im Summarverfahren gefällt worden sind. Das BGer unterscheidet implizit (E. 3.2), ob der Entscheid Teil der « zur zügigen Vorbereitung und Durchführung des Zivilverfahrens ordentlich notwendigen Massnahmen» ist, « die das befasste Gericht oder die Prozessleitung in Anwendung von Art. 124 Abs. 1 ZPO anordnen », oder nicht. Diese Massnahmen – zu denen Entscheide über Ausstandsgesuche nicht zählen – stellen prozessleitende Verfügungen i.S.v. Art. 321 Abs. 2 ZPO dar. U.E. ist das Kriterium, was zur zügigen Vorbereitung und Durchführung des Verfahrens « ordentlich notwendig » ist, sicher zutreffend; jedoch werden dadurch die notwendigen Präzisierungen nicht erbracht. Z.B. liegt es nicht nahe, dass ein Sistierungsentscheid (Art. 126 ZPO) diesem Kriterium besser entsprechen würde als ein Entscheid über ein Ausstandsgesuch; dennoch wird er als prozessleitende Verfügung bezeichnet, dies mit der Begründung, dass Art. 126 ZPO im gleichen Kapitel wie Art. 124 ZPO stehe (BGE 140 III 270 E. 3.3, Anm. unter Art. 126 Abs. 2); ebenfalls kann man sich fragen, inwiefern die im gleichen Kapitel vorgesehene Überweisung bei zusammenhängenden Verfahren (Art. 127 ZPO) oder eine Beschränkung des Verfahrens (Art. 125 lit. a ZPO) zur zügigen Durchführung des Verfahrens « ordentlich notwendig » ist. Unter diesen Umständen wäre es sicherer und voraussehbarer, davon auszugehen, dass die in Art. 319 lit. b Ziff. 1 ZPO gemeinten Entscheide « andere Entscheide » darstellen, während jene, die nur unter den Voraussetzungen von Art. 319 lit. b Ziff. 2 ZPO mit Beschwerde anfechtbar sind, prozessleitende Verfügungen sind. Für die erstgenannten hat der Gesetzgeber eine sofortige Beschwerde vorgesehen, wobei er diese Inzidenzentscheide als besonders bedeutend erachtete. Diese Bedeutung kann ebenfalls rechtfertigen, dass die Beschwerdefrist grundsätzlich 30 Tage beträgt, es sei denn, der Entscheid erginge im Summarverfahren.

10 Immerhin drängt sich die Abgrenzung zwischen prozessleitenden Verfügungen und «anderen Entscheiden» dann nicht auf, wenn der Entscheid im summarischen Verfahren ergeht: Diesfalls gilt jedenfalls die Frist von zehn Tagen (Art. 321 Abs. 2 ZPO). Allerdings können auch hier Schwierigkeiten auftreten, wie dies das Beispiel des Ausstandes zeigt: Einerseits kann das Summarverfahren auf den Erlass des Inzidenzentscheids unabhängig von der Verfahrensart Anwendung finden, welche die Hauptsache beherrscht (für den Ausstand s. E. 2 und 3.3 des Urteils; vgl. auch Art. 119 ZPO für die unentgeltliche Rechtspflege). Andererseits kann sich– wie das BGer überzeugend annimmt – die Anwendung des Summarverfahrens auch ohne ausdrückliche Bestimmung aus dem Gesetz (Art. 248 lit. a ZPO) ergeben. So ist das summarische Verfahren auf das Ausstandsverfahren anwendbar, da dieses einem Beschleunigungsgebot unterliegt und die blosse Glaubhaftmachung des dem Gesuch zugrundeliegenden Sachverhalts genügt (vgl. Art. 49 Abs. 2 ZPO); tatsächlich sind diese beiden Elemente für das summarische Verfahren typisch (vgl. Anm. unter Art. 248, Allgemeines, insb. BGE 138 III 636 E. 4.3.2).

11 In Bezug auf den Entscheid über die Ordnungsbusse erscheint die vom BGer in Analogie zur Anfechtung eines Kostenentscheides (Art. 110 ZPO) gewählte Lösung pragmatisch und sinnvoll, auch wenn sie sich nicht direkt aus Art. 128 ZPO ergibt. Dementsprechend ist – in Abweichung vom Gesetzestext von Art. 128 Abs. 4 ZPO – das offenstehende Rechtsmittel nur dann stets die Beschwerde, wenn dieser Entscheid selbständig angefochten wird. Ansonsten entsprechen sowohl das Rechtsmittel als auch die Rechtsmittelfrist jenen, die für die Weiterziehung des Hauptentscheides massgeblich sind. Allerdings lässt das BGer die Frage offen, welche Beschwerdefrist dann gilt, wenn der die Busse verhängende Entscheid selbständig angefochten wird – z.B. wenn die Busse aufgrund des Fernbleibens einer Partei von der Schlichtungsverhandlung verhängt wird (vgl. BGE 141 III 265 E. 3.2, Anm. unter Art. 128, Allgemeines und unter Art. 206, Allgemeines; auch BGer 4A_500/2016 vom 9.12.2016 E. 3.1, Anm. unter Art. 128 Abs. 1). Diesfalls ist die Beschwerde das einzige Rechtsmittel (Art. 128 Abs. 4 ZPO). Da dieser Entscheid das Verfahren nicht beenden kann, handelt es sich (zumindest dann, wenn er eine der Prozessparteien betrifft) um einen « Inzidenzentscheid » i.S.v. Art. 319 lit. b ZPO; allerdings ist unsicher, ob dieser als prozessleitende Verfügung oder als « anderer Entscheid » zu bezeichnen ist, sodass sich das Problem der Beschwerdefrist erneut stellt. Dabei kann man unentschlossen sein: Einerseits ist nicht ersichtlich, dass dieser Entscheid an sich im summarischen Verfahren zu fällen wäre (vgl. N 10), es sei denn, dieses wäre auf die Hauptsache anwendbar. Andererseits liegt nicht nahe, dass es sich um eine prozessleitende Verfügung und nicht um einen «anderen» Inzidenzentscheid handelt. Zwar findet sich Art. 128 ZPO im gleichen Kapitel wie Art. 124 ZPO; es leuchtet aber nicht ein, inwiefern eine Ordnungsbusse zur zügigen Durchführung des Verfahrens « ordentlich notwendig » ist. Da die sofortige Beschwerde gemäss Art. 319 lit. b Ziff. 1 ZPO im Gesetz besonders vorgesehen ist (vgl. Art. 128 Abs. 4 ZPO), könnte der Entscheid den « anderen Entscheiden » zugeordnet werden, die innert der ordentlichen Beschwerdefrist von 30 Tagen anfechtbar sind, es sei denn, das Summarverfahren wäre anwendbar (vgl. N 9). In diesem Punkt, wie allgemein zu den Begriffen der prozessleitenden Verfügung und der « anderen Entscheide », bleibt abzuwarten, dass weitere Urteile Präzisierungen liefern werden.

Zitationsvorschlag:
F. Bastons Bulletti in Newsletter ZPO Online 2019-N26, Rz…

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